Helden der Rehkitzrettung

Natur & Tier🌳

Wenn die Landwirte zwischen April und Juni ihre Felder mähen, besteht die Gefahr, dass sie Tiere wie Rehkitze überfahren und töten. Denn zu dieser Zeit bringen die Wildtiere ihre Jungen zur Welt, die gerne Schutz in den hohen Gräsern der Felder suchen. Viele Landwirte setzen auf Rehwildscheuchen, Hunde oder sogar Drohnen, um die Felder zu überwachen und die Tiere zu vertreiben. Trotzdem können die Rehkitze im hohen Gras übersehen werden. Um den Tieren zu helfen, versammeln sich freiwillige Helfer, die sich auf die Suche nach den Tieren machen. Eine Reichelsheimer Gruppe ist jedes Jahr aktiv und rettet die Rehkitze vor dem Tod. Annette Pfeil vom Organisationsteam der Reichelsheimer Helfergruppe hat uns zu diesem Thema ein paar Fragen beantwortet.

Wie viele Leute braucht und seid ihr bei einer Rettung?

Meist informiert uns der Jäger, wie viele Helfer er braucht, um die Fläche abzusuchen, die der Landwirt mähen möchte.
Bei vielen Einsätzen suchen 8-10 Leute die Wiese ab, manchmal gehen wir in mehreren Gruppen und sind auch mal mit 30 – 40 Helfern auf den Wiesen unterwegs. An manchen Tagen sind wir weniger Helfer, als wir eigentlich bräuchten. Dann dauert der Einsatz länger oder wir schaffen es nicht, alle Wiesen gründlich abzusuchen. 

Wie viele Tiere rettet ihr an einem Tag?

Das ist immer unterschiedlich. Mal keins, mal 2-3 und manchmal auch über 10. Unser Ziel ist es, dass möglichst kein Kitz verletzt oder getötet wird. Wenn dann kein Kitz in der Wiese liegt, dann sind wir eigentlich froh, dass wir keines stören und erschrecken mussten. Aber natürlich ist es auch einfach sehr berührend so ein kleines Reh zu entdecken und das gute Gefühl zu haben, dieses Leben gerettet zu haben.

Wie findet ihr die Tiere?

Wir „durchkämmen“ die Wiese quasi zu Fuß und systematisch: Gehen hin und her und hin und her, bis die gesamte Fläche abgesucht ist. Die Gruppe geht in einer Reihe und nebeneinander durch die Wiese. Die Abstände voneinander sind so gewählt, dass jeder „seine Spur“ gut einsehen kann und dann suchen wir mit ständigem Blick zum Boden, ob wir da ein kleines Kitz unter dem Gras verborgen finden. Manchmal ist die Wiese sehr dicht oder das Gras sehr hoch, dann gehen wir eng und langsam. Manchmal ist die Wiese aber auch lichter, dann ist es leichter ein Kitz zu entdecken. Wir setzen auch unsere Drohne mit Wärmebildkamera ein, warnen aber vor übertriebener Technikgläubigkeit. Die Drohne kann nicht bei jedem Wetter und in jedem Gelände eingesetzt werden und ein Wärmebild zuverlässig lesen zu können, will geübt sein. 

Wie nähert ihr euch den Tieren?

Sobald jemand ein Kitz entdeckt, tritt er 1-2 Schritte zurück und hebt die Hand. Die anderen Suchenden merken das recht schnell und bleiben auch stehen. Am besten nähert man sich dann dem Kitz nicht weiter, sondern bleibt zurück, ruhig und leise und mit viel Abstand. Damit das Kitz nicht unruhig wird und doch wegspringt. 

Worauf muss man bei der Rettung achten?

Kleine Kitze haben einen Drückreflex, sie bleiben bei Gefahr liegen und drücken sich an den Boden. Auch wenn sie da so scheinbar ruhig liegen, sind sie in einer absoluten Stresssituation. Sie wissen ja nicht, dass wir sie gerade vor einem Mähwerk retten. Darum bitten wir die Helfer immer sehr ruhig zu bleiben – auch wenn man total überwältigt ist und vor Freude am liebsten laut jubeln möchte, weil das kleine süße Kitz da vor einem liegt… Viele möchten auch Fotos machen, verständlich, aber das ist alles Stress für das Kitz und die Mutter, die das oft aus der Ferne beobachtet. Und dann soll das Kitz möglichst keinen menschlichen oder anderen fremden Geruch annehmen. Zum Sichern wird es darum dick in Grasbüschel gepackt, das übernehmen bei unseren Einsätzen die Jäger oder sehr erfahrene Helfer. 

Die Reichelsheimer Rehkitzretter auf der Suche nach verschreckten Rehkitzen

Wohin bringt ihr die Tiere, nachdem ihr sie gerettet habt?

Das Kitz wird zunächst an einen sicheren Platz in der Nähe abgelegt, wo nicht gemäht wird. Möglichst im Schatten und etwas versteckt. Eine hölzerne Obstkiste wird dann darüber gesetzt und mit Stäben oder einem schweren Stein befestigt. Nach der Mahd nehmen wir die Kiste ab und bauen, falls nötig, aus Gras noch etwas Sichtschutz für das kleine Kitz. Sobald wir uns entfernt haben und wieder Ruhe einkehrt, finden sich Mutter und Kind dann wieder. 

Was macht ihr, wenn die Tiere von euch weglaufen?

Ja, Rehe sind Fluchttiere und wenn die Kitze etwas größer werden, dann ist es ganz natürlich, dass sie sich vielleicht erst noch lange an den Boden drücken und dann im Moment, in dem sich der Mensch nähert, doch wegspringen. Das ist immer eine schwierige Situation. Wenn es geht, treiben wir das Kitz ins Nachbarfeld oder in den Wald. Aber das gelingt nicht immer. Oft springt es wieder in die Wiese. Mit Glück sehen wir, wo das Kitz ungefähr ist. Wenn nicht, müssen wir vielleicht die ganze Wiese neu absuchen, weil man einfach nicht genau weiß, wo sich das Kitz schließlich abgelegt hat.
Aber der Mähtermin rückt näher, der Zeitdruck steigt und man wird vielleicht nicht fertig mit der Suche. Das wäre fatal. 

Fragt ihr vorher die Besitzer der Wiesen und Felder, wann sie mähen, oder macht ihr das auf gut Glück?

Basis für unsere Erfolge bei der Rehkitzrettung, ist eine gute Zusammenarbeit von Landwirt, Jäger und Helfergruppe. Idealerweise sagt der Landwirt dem Jäger frühzeitig Bescheid wann er mähen möchte und der Jäger informiert uns und entscheidet, wie er den Einsatz gern gestalten möchte. In Reichelsheim unterstützen freiwillige Helfer die Jäger schon seit über 10 Jahren bei der Suche. In einigen Revieren sind wir ein sehr eingespieltes Team, das einander vertraut und gemeinsam durch Dick und Dünn geht. Das spricht sich rum und so werden wir immer wieder von anderen Jägern oder Landwirten gefragt, ob wir auch bei ihnen unterstützen möchten. Aber natürlich gibt es auch immer noch viel zu viele Wiesen die, aus welchen Gründen auch immer, vor der Mahd nicht wirklich abgesucht werden. Das ist furchtbar. Es gibt verschieden Möglichkeiten, wie und wann gesucht werden kann. Wir setzen auch technische Hilfsmittel ein: Eine Drohne mit Wärmebildkamera bringt die besten Erfolge am frühen Morgen. Die Kitze sind warm, die Erde noch kühl. Das kann man dann auf dem Wärmebild gut erkennen. Oder sogenannte Kitzretter, die machen Krach und Blinken, das soll die Rehe davon abhalten, in diese Wiese zu gehen. Die kann man schon am Vorabend vor der Mahd einsetzen. 

Was macht man als Spaziergänger, wenn man man irgendwo ein Rehkitz findet? 

Gar nichts. Am Besten zieht man sich sofort ruhig und leise wieder zurück.
Kitze liegen natürlicherweise alleine und im Wald oder Wiese versteckt. Die Mutter kommt nur zum Säugen vorbei, ganz sicher nicht, solange Menschen, Hunde oder andere Störungen in der Nähe sind.
Nur verletzte oder sicher verwaiste Kitze brauchen Hilfe. Wenn man sich nicht sicher ist, ob ein Kitz Hilfe braucht, kann man bei einer Wildtierhilfe oder dem zuständigen Jäger nachfragen, bevor man in irgendeiner Weise eingreift.
Ganz wichtig ist es auch Hunde in der Brut- und Setzzeit an die Leine zu nehmen, damit sie kein Kitz oder anderes Wild aufscheuchen oder gar verletzen. 

Wie kann man bei euch mithelfen?

Einfach melden. Wir brauchen dringend mehr Helfer um alle Einsätze abdecken zu können.
Wir informieren unsere Helfer über einen bevorstehenden Termin in unserer Whats App Gruppe alternativ per Mail oder SMS Verteiler. Wer Zeit hat sagt zu und läuft mit. Außerdem stehen die Termine immer auf unserer Homepage und unserer Facebook-Seite. Unsere Kontaktdaten und ein Kontaktformular findet man auf www.rehkitzrettung- reichelsheim.de
Unser Orga Team ist telefonisch in diesem Jahr unter 0151 52112957 erreichbar oder per Mail an kitzrettung@gmx.de .

Quellen: https://kitzrettung-hilfe.de, https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/reichelsheim/schutzengel-der-reh-kinderstube-reichelsheimer-gruppe-rettet-junge-wildtiere_18798763 , http://www.rehkitzhilfe.de/AllgInfo.htm

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